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Eine Halle voller Laster

Im Hause Pistorius dreht sich alles um die Mobilität vergangener Zeiten. Seit die Lasterleidenschaft entbrannte, ist es eng geworden in der Veteranenhalle. Last&Kraft ging auf Entdeckungstour und fand schweres Gerät und feine Kleinodien der Oldtimerei.

Selters ist ein beschaulicher Ort im Westerwald mit 3.000 Einwohnern, ganz in der Nähe von Montabaur gelegen. Zwischen den typischen kleinen Steinhäusern des Westerwalds breitet sich eine wunderbare Ruhe und Gelassenheit aus, die jedoch hin und wieder unterbrochen wird vom Dieselsound verschiedenster Klangfarben. Mal ertönt das Bellen eines Krupp-Zweitakters, dann wieder das gleichmäßige Schnarren eines Schwabendiesels oder das heisere Tackern eines MAN. Schweigen die Maschinen, klopft ein Blechhammer, pratzelt ein Schweißgerät oder es heult eine Schleifmaschine auf. Die eigentümlichen Geräusche dringen aus einer ehrwürdigen alten Fabrikhalle. In den 40er-Jahren wurde sie aus roten Ziegeln gebaut, 20 Meter breit und 100 Meter lang. Die perfekte Behausung fürhistorische Lastwagen und die Mitglieder der Familie Pistorius, die mit ihren metallenen Lieblingen quasi unter einem Dach wohnen. Vater Kurt war noch in den 50er-Jahren als

Kraftfahrer im Einsatz und sattelte später um auf eine Werkstatt und auf Fahrzeughandel. Irgendwann fing er an, Oldtimer zu sammeln, Pkw, Motorräder, Traktoren. Sohn Timo, heute 36 Jahre alt, inhalierte somit die Oldtimerei von Kindesbeinen an. Er war es schließlich, der den Vater auf die Laster brachte. Bild 5Beim gemeinsamen Besuch eines Treff ens war der noch jugendliche Timo plötzlich überzeugt: „So ein schweres Gerät fehlt uns noch.“ Als 18-Jähriger restaurierte der Junior dann einen Krupp AK 701 von 1961, den er schließlich auf 7,49 t ablastete, damit er ihn auch fahren durfte. Dabei blieb es freilich nicht. Zudem sammelte Timo alles, was mit Lastwagen zu tun hat. Von Ersatzteilen, Haubenemblemen bis zu Betriebsanleitungen, die er auch immer ausgiebig studierte. Die damaligen Scheunen und Garagen wurden zu klein. Auf einer Radtour entdeckte Timo dann die herrliche Industriehalle. Bild 6Eine Firma für Holzbearbeitung hatte wohl lange Zeit darin gearbeitet. Einige hölzerne Haltegriffe für Busse oder Straßenbahnen fanden sich als Zeugen dieser Ära. Klar, das Timo sie aufbewahrte. Vater und Sohn waren sich schnell einig, dass dieses Gebäude den idealen Rahmen für ihre Leidenschaft bietet. Als Timo, inzwischen gelernter Maschinenbauer und studierter Wirtschaftler, seiner zukünftigen Ehefrau Saskia sagte, er wohne zusammen mit alten Lastern in einer Fabrik, mochte sie es erst nicht so recht glauben. Heute teilt sie die Begeisterung fürs alte Blech und fühlt sich pudelwohl im Ziegelbau. Es ist fast unmöglich, sich dem Charme der alten Gefährte zu entziehen, selbst wenn einem der Sinn sonst eher nach schnuckeligen Islandponys steht. Vor zwei Jahren entschloss Timo sich, sein Hobby zum Beruf zu machen. Den guten Posten bei einem bekannten Nutzfahrzeughersteller hängte er an den Nagel und machte sich mit dem Handel rund um die alten Laster selbstständig. Längst hatte er ohnehin den Ruf eines profunden Kenners der alten Technik, den man jederzeit um Rat fragen kann. Bild 4Wer ein bestimmtes Fahrzeug oder ein seltenes Ersatzteil sucht, bekommt dabei ebenso Unterstützung wie bei der späteren Restaurierung. Seine Technikbegeisterung bricht hervor, wenn das Gespräch etwa auf Cummins-Diesel, Ratschenbremse oder Vorschaltgetriebe kommt. Zwar hat er nicht, wie der Vater, auf einem solchen „Bock“ arbeiten müssen, aber in die Technik der alten Kämpen ist er inzwischen so tief eingestiegen wie nur wenige andere. Die Sammelleidenschaft hat auch in der großzügigen Halle ihre Spuren hinterlassen. Wie in einem Museum spaziert man zwischen alten Tanksäulen, ausgebauten Motoren, Blech- und Emailleschildern hindurch und entdeckt ständig „Neues“. Dazu rattert draußen im Hof ein Magirus Eckhauber, Baujahr 1976. Ein Interessent steht davor und Timo erklärt die Fahrzeuggeschichte, sowie ein paar markentypische Besonderheiten. Bis zu 250 Kilometer weit würde er das Fahrzeug auch liefern. Und auch nach dem Kauf bleibt er für die neuen Besitzer ein wichtiger Ansprechpartner, der mit Rat und Tat zur Seite steht.

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Bild 7Famos auch seine Fähigkeit, technische Zusammenhänge leicht verständlich zu erklären. Ein paar Schritte weiter steht Kurt bei einem dunkelblauen Magirus Saturn. Er öffnet die Motorhaube und zeigt auf die Maschine. Das 9,3 Liter große Aggregat füllt den gesamten Platz maximal aus. Das Vorhaben, noch irgendwo Lufthörner einzubauen, gestaltet sich dadurch ziemlich schwierig. Gnade dem, der so einen Motor einmal ausbauen müsste. Doch so neuwertig wie die Maschine aussieht, ist dies natürlich im Zuge der Restaurierung längst geschehen. Ein weiterer Blickfang ist der mächtige Krupp AK 360. Der dreiachsige Allradkipper produziert mit seinem 210 PS starken V6-Motor nicht nur einen faszinierenden Motorsound, sondern verblüfft auch mit interessanten Details. So glänzt einem beim Öffnen der Tür das Armaturenbrett in Hammerschlaggrün entgegen. Selbst der Hebel für die Feststellbremse ist damit überzogen. Doch der Blick bleibt hängen an den riesigen Ziffern des Tachometers. Neben diesem Hünen postieren sich heute zwei rote Abschleppwagen, Rundhauber mit Stern. Praktische Spezialisten, die sich ab und zu auch im Oldtimerleben noch nützlich machen können. Virtuos rangiert Timo die Hakenträger rückwärts in die Halle.Bild 12 Im Inneren stehen mit Hanomag ST 100, Mercedes LAK 1924, MAN 620 L1A und Faun L8 die Schätze der privaten Sammlung. Darunter auch ein Kaelble SKG 125 N. Das Fahrzeug war seit 1948 für eine Molkereigenossenschaft im Einsatz. Acht Jahre später ersetzte der Nachbesitzer die Pritsche durch einen Kranaufbau. Timo überholte nach dem Kauf die Einspritzpumpe und seither läuft der 130 PS starke 13-Liter wieder einwandfrei.

Quelle: SAMMLERPORTRÄT | Veteranenhalle    Text: Alexander Fischer, Andreas Techel | Fotos: Alexander Fischer

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