Faun L8/56 PDF Drucken E-Mail

Phönix aus dem Wasser
(Titelstory von Holger Gräf aus Historischer Kraftverkehr April-Mai 2004)

Das dritte Leben: Ein Faun L8/56 kehrt zurück

„Güterzüge der Landstraße“ – so hießen sie in der hauseigenen Werbung, die Faun-Fernlastzüge der frühen 50er Jahre.
Tatsächlich trugen vor allem die schweren Haubenwagen L8 L und L8/56 eine ordentliche Portion an Lokomotiv-Genen in sich. Doch weder ihre äußerst solide Bauweise, noch der langsam laufende, 13,5 Liter große Deutz-Diesel unter der Haube konnten verhindern, dass ausnahmslos alle Fernverkehrs-L8 im Lauf der Jahre verschrottet, geschlachtet oder umgebaut worden sind. Einer von ihnen ist nun zurückgekehrt und steht nach einem bewegten Lasterleben wieder so da, wie einst vor dem Werkstor in Lauf.
Fast wäre sein Dasein beendet gewesen, noch ehe er sein erstes Lebensjahrzehnt abgeschlossen hatte: Es muss im Sommer des Jahres 1962 gewesen sein, als der Fahrer des Faun L8/56 der Troisdorfer Spedition Helga Remy auf der B 9 Köln – Koblenz nahe der Ortschaft Brohl einnickte. Viel Zeit zum Träumen blieb dem müden Landstraßen-Kapitän allerdings nicht. Als er seine Augen wieder aufschlug, pflügte der schwere Faun samt Vidal-Dreichser bereits durch eine saftige Wiese am Straßenrand. Die Sache hätte wohl ein gutes Ende genommen, wäre nicht Vater Rhein die natürliche Begrenzung dieser Wiese gewesen. So aber tauchte das Dickschiff mit gewaltiger Bugwelle in das für ihn ungewohnte Element ein.

Der wassergekühlte Deutz unter der Haube holte noch einmal tief Luft und schwieg dann für immer. Merke: Zu viel Kühlwasser ist auch nicht gut! Ein paar Stunden später zog der Brohler Abschleppunternehmer Nonn den unbeladenen Lastzug mit Hilfe der kräftigen Winde seines Allrad-Blitz in gleich doppelter Hinsicht an Land: Erst holte er den Faun aus dem Wasser, dann kaufte er ihn der Spedition Remy ab. Weil der Langhauber bereits acht Jahre auf dem Buckel hatte und seine Einsatzmöglichkeiten für die Folgejahre – Seebohm sei Dank – ohnehin gegen Null tendierten, gab es den L8 mit Wasser- und Motorschaden zum Schnäppchenpreis. Ein weiterer Unfall-Faun spendete bald darauf seinen 180 PS starken Reihen-Sechszylinder und gab damit den Startschuss zum Bau des neuen Abschleppwagens der Auto-Hilfe Nonn.

Mit verkürztem Chassis, abgeschnittenem Schwalbennest, geänderter Frontpartie und Eigenbau-Kran leistete der kräftig dimensionierte Hauber noch bis 1988 gute Dienste als Schleppwagen. Dann entdeckte der Oldtimer-Sammler Kurt Pistorius aus Dierdorf den zu diesem Zeitpunkt wohl letzten erhaltenen L8 mit weitgehend originalem Fahrerhaus. Zusammen mit dem Faun tauchten Kurt und sein Sohn Timo in den 90er Jahren auf verschiedenen Oldtimertreffen auf, oder nutzten den voll einsatzfähigen Kran zur Bergung von weiteren Neuzugängen im eigenen Oldtimer-Fuhrpark. Trotz luftunterstützter Lenkung und Schnellganggetriebe, das immerhin eine Marschgeschwindigkeit von 77,3 km/h ermöglichte, erwies sich der Langhauber aber als recht unhandlich und verließ seine Abstellhalle deshalb zuletzt nur noch selten.

Erst im neuen Jahrtausend kam wieder Bewegung in die Sache, als der frischgebackene Betriebswirt Timo Pistorius den L8 von seinem Vater zum Diplom geschenkt bekam. Für Timo, der seit Kindertagen von alten Lastern umgeben ist, stand der langfristige Rückbau des Faun in seinen Ursprungszustand außer Frage. Zunächst waren allerdings nur die Chassis-Verlängerung und der Aufbau der Pritsche geplant. Die restlichen Arbeiten sollten als „rollende Restaurierung“ peu à peu erfolgen, um möglichst viel von der originalen Substanz des Faun zu erhalten. Doch schnell zeigte sich, dass Wunsch und Wirklichkeit weit auseinander lagen. Zu viele teure und unbefriedigende Kompromisse wären erforderlich gewesen, so dass Timo schließlich die Notbremse zog und sich zu einem Neuaufbau des L8 entschloss. Die Substanz blieb dabei trotzdem nicht auf der Strecke, denn mit dem weitgehend intakten Holz des Fahrerhauses, dem zu Beginn der 80er Jahre bei Nonn mit Neuteilen überholten Motor und den kompletten und originalen Ausstattungsteilen hatte Timo wichtige Punkte auf der Habenseite zu verbuchen. Zusammen mit seinem Vater brannte er den Kran ab, überholte die Bremsanlage ebenso wie die Hinterachse und führte eine Motorinspektion durch. Für die Chassisverlängerung, den Neubau von Pritsche und Schwalbennest, sowie für die Rekonstruktion aller fehlenden Teile gab er den L8 in die erfahrenen Hände von Theo Eichenauer aus Freudenberg. Während im Siegerland die langsame Metamorphose vom Abschleppwagen zum Fernlaster erfolgte, widmete sich Timo der schwierigen Suche nach Reifen des Formats 12.00-22. Immerhin vier gut abgelagerte Exemplare konnte er noch ergattern, in zwei Fällen half nur noch der Griff zu runderneuerten Gebrauchtpneus. Als Timo in Brohl beim ehemaligen Eigner des Faun vorbeischaute, erwartete ihn noch eine besondere Überraschung: Beim Aufräumen des Speichers war dort der zweite Kraftstofftank des L8 wieder aufgetaucht, der knapp vierzig Jahre zuvor dem Umbau zum Schleppwagen hatte weichen müssen!

In den ersten Frühlingstagen dieses Jahres war es dann soweit: Ziemlich genau fünf Jahrzehnte nachdem der L8/56 das Faun-Werk in Lauf an der Pegnitz verlassen hatte, konnten Vater und Sohn Pistorius mit dem Dickschiff dessen Rückkehr in die Welt der Fernlastwagen feiern. Dass einer der Renova-Pneus bei der Jungfernfahrt den fast schon erwarteten Karkassenbruch erlitt, brachte die beiden angesichts einer ansonsten defektfreien Fahrt nicht ernstlich aus der Ruhe. Besonders beeindruckend präsentierte sich einmal mehr der mit niedriger Drehzahl erstaunlich leise, vibrationsfrei und kraftvoll vor sich hin stampfende Deutz-Diesel unter der langen, langen Haube. Sein beruhigendes Brummen dürfte es auch gewesen sein, das einst den Fahrer des Faun in Morpheus’ Arme getrieben hat – gut 40 Jahre zuvor, auf der B9 bei Brohl.


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(Fotos teilweise mit freundlicher Genehmigung von Holger Gräf)